Illegale Arbeitnehmerüberlassung durch „virtuellen Inlandsbezug“?
Die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) gehen seit Oktober 2024 davon aus, dass eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung regelmäßig auch dann vorliegt, wenn Arbeitnehmer über einen ausländischen Verleiher ausschließlich remote aus dem Ausland für einen in Deutschland ansässigen Auftraggeber tätig werden. Die Auffassung der BA ist brisant und schafft neue Compliance-Fragen für Unternehmen, insbesondere mit Blick auf das beliebte Modell des Employer of Record (EoR). Die Fachlichen Weisungen sind nun zum 01.01.2025 erneut aktualisiert worden. Die BA hält an ihrer kritikwürdigen Rechtsauffassung fest und verpasst damit die Chance einer schnellen Korrektur.
Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern im Ausland / Employer of Record
Räumlich beschränkt sich der Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) auf die Bundesrepublik Deutschland („Territorialprinzip“). Das AÜG kommt demnach zur Anwendung, wenn der Verleih hinreichenden Inlandsbezug aufweist.
Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das AÜG mangels Inlandsbezugs jedenfalls dann keine Anwendung findet, wenn nur der Auftraggeber seinen Sitz in Deutschland hat und der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausschließlich im Ausland verrichtet. Relevant wird dies etwa beim Modell des EoR, welches sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Dabei hat der Entleiher seinen Sitz in Deutschland, der Arbeitnehmer wird aufgrund eines Arbeitsvertrages mit dem ausländischen EoR ausschließlich im Ausland tätig. Der EoR übernimmt die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses und die Administration im Ausland, der Arbeitnehmer ist remote und nach den Weisungen des deutschen Auftraggebers tätig.
Auch die BA ging bisher davon aus, dass das AÜG solch eine Überlassung nicht erfasst. Das überzeugt, denn der Sitz des Entleihers im Inland kann für die Begründung einer Erlaubnispflicht nicht relevant sein, wenn auf den Einsatz ausschließlich ausländisches Recht Anwendung findet. Compliance-Überlegungen mussten in diesen Fällen eines EoR dennoch angestellt werden, etwa mit Blick auf nationale Regelungen des Landes, in dem der Arbeitnehmer tätig wurde oder wenn der Arbeitnehmer sich (auch nur zeitweise, etwa für ein Meeting) nach Deutschland begeben sollte und damit möglicherweise einen Inlandsbezug herstellte.
„Virtueller Inlandsbezug“
Seit den Fachlichen Weisungen vom 15.10.2024 weicht die BA von ihrer bisherigen Rechtsauffassung zur Erlaubnispflicht ab und verschärft die rechtlichen Risiken des EoR-Modells weiter. Bei den Fachlichen Weisungen handelt es sich um interne Richtlinien, die beschreiben, wie die Vorschriften des AÜG durch die BA ausgelegt und angewendet werden. Danach sollen unter das AÜG nun auch Konstellationen fallen, in denen der Arbeitnehmer im Ausland Arbeitsleistungen erbringt, die keine Anwesenheit im Betrieb oder an einem bestimmten Ort voraussetzen und vollständig unter Einsatz moderner Kommunikations- und Informationstechnik erledigt werden können. Werden Arbeitnehmer des Auftragnehmers im Ausland ortsungebunden und virtuell für den Auftraggeber tätig, soll regelmäßig eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.
Rechtsfolgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung
Durch die neue Sichtweise der BA würde der Anwendungsbereich des AÜG erheblich erweitert. Viele Verleiher und EoR-Provider aus dem Ausland werden eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht besitzen. Erfolgt dadurch eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, drohen dem in Deutschland ansässigen Entleiher ein Bußgeld von bis zu EUR 30.000 je Einzelfall sowie gegebenenfalls ein Negativeintrag im Gewerbezentralregister. Etwas gemildert werden die Rechtsfolgen zumindest dadurch, dass nach geltender Rechtsprechung kein fingiertes Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher entsteht (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 AÜG), wenn das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Staates unterliegt (BAG, Urteil vom 26.4.2022 – 9 AZR 228/21).
Fazit
Die rechtliche Auffassung der BA überzeugt nicht. Nicht zuletzt würde durch die Auslegung der Behörde Unternehmen faktisch die Möglichkeit genommen, Fachkräfte aus Drittstaaten außerhalb der EU/EWR remote einzusetzen, denn den dortigen Auftragnehmern ist die Beantragung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis generell verwehrt (§ 3 Abs. 2 AÜG). Für eine solche Einschränkung fehlt jede gesetzliche Grundlage. Die Fachlichen Weisungen sind zwar behördeninterne Richtlinien, die keine Bindungswirkung für Gerichte entfalten. Die BA ist jedoch neben dem Zoll für die Kontrolle des AÜG zuständig und wird ihren Ansatz vermutlich bei Prüfungen zugrunde legen. Arbeitgebern ist zu empfehlen, ihren Fremdpersonaleinsatz im Ausland zu prüfen, um Risiken durch die veränderte Behördenauslegung zu begegnen. Das kann auch die Prüfung alternativer Gestaltungen einschließen, etwa durch Global Payroll oder Freelancer Modelle.