Kapitalwahlrecht des Arbeitgebers bei BAV muss wertgleich sein

02.03.2023

Das Bundesarbeitsgericht hat heute die Entscheidungsgründe für die erste von zwei Grundsatzentscheidungen zur Wirksamkeit von Kapitalwahlrechten von Arbeitgebern in Versorgungszusagen veröffentlicht. Kapitalwahlrechte in AGB müssen danach mindestens den versicherungsmathematisch ermittelten Barwert der laufenden Renten als Kapitalleistung vorsehen. Ansonsten sind sie unwirksam (BAG, Urteil vom 17. Januar 2023 – 3 AZR 220/22).

In der Entscheidung grenzt der dritte Senat zunächst Änderungsvorbehalte, die an § 308 Nr. 4 BGB zu messen sind, von der Wahlschuld ab, die nicht der gleichen Kontrolle unterliegt. Dabei erteilt es dem LAG Hamm – ohne dieses zu erwähnen – eine deutliche Absage. Schuldet der Arbeitgeber nicht mehrere Leistungen, zwischen denen er wählen kann, sondern kann er die geschuldete Leistung durch eine andere ersetzen, ist dies ein Änderungsvorbehalt und keine Wahlschuld. So ausgestaltete Arbeitgeberkapitalwahlrechte sind unzumutbar, wenn nicht mindestens eine (bar)wertgleiche Kapitalleistung gewährt wird.

Kapitalwahlrechte (und damit diese Entscheidung) sind hochgradig praxisrelevant. Die Ausübung eines wirksamen Kapitalwahlrechts reduziert für den Arbeitgeber nicht nur den Verwaltungsaufwand und biometrische Risiken, sondern ist aufgrund der vereinbarten Berechnungsmethode häufig günstiger als die Rentenzahlung. Für diese Berechnungsmethoden hat das BAG nun eine erste konkrete Grenze gezogen. Arbeitgeber, die sich auf ihr Kapitalwahlrecht verlassen, sollten kritisch überprüfen, ob ihre Klausel den konkreten Anforderungen des BAG standhält.

Insbesondere wenn eine konkrete Berechnung vereinbart wurde, sollte eventuell rechtzeitig nachjustiert werden. Sieht das Kapitalwahlrecht hingegen schlicht eine „wertgleiche Kapitalleistung“ vor, ist die Entscheidung kein Anlass zur Sorge. Im Gegenteil stellt sie klar, was das BAG im Zusammenhang mit Kapitalleistungen als wertgleich ansieht. Für Kapitalwahlrechte in Neuzusagen ist zu erwägen, explizit eine Wahlschuld zu vereinbaren, um die Problematik insgesamt zu vermeiden.

Mit großer Spannung erwarten wir die Entscheidungsgründe für die zweite Entscheidung vom 17. Januar 2023 (BAG, Urteil vom 17. Januar 2023, 3 AZR 501/21). Diese dreht sich um eine weit verbreitete Klausel, die eine „wertgleiche“ Kapitalleistung vorsieht und zugleich bestimmt, dass sich die Höhe nach der Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG richtet. Bei dieser Berechnungsmethode ist der Kostenunterschied zur Rentenzahlung derzeit regelmäßig enorm. Ob das BAG dies als wertgleich ansieht oder nicht, wird nicht zuletzt direkten Einfluss auf den Kaufpreis zahlreicher Transaktionen haben. Die Entscheidung der Vorinstanz hat der Senat jedenfalls aufgehoben.