Nicht „wie sie steht und liegt“ – BAG urteilt über Bemessung von Leistungen nach Betriebsübergang
Heute veröffentlichte das BAG die Entscheidungsgründe für zwei Parallelentscheidungen zur Bemessung von Leistungen nach Betriebsübergang (BAG, Urteil vom 9. Mai 2023 – 3 AZR 174/22 und BAG, Urteil vom 9. Mai 2023 – 3 AZR 279/22). Unmittelbar ging es um Direktzusagen der betrieblichen Altersversorgung. Die Entscheidungen sind jedoch auch für andere Vergütungen – insbesondere Boni und Tantiemen – relevant. Vergütungsbestandteile knüpfen häufig an die Umstände im Unternehmen an. Eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 1% ist in einem Startup denkbar, bei einem DAX-Unternehmen nicht. Was passiert jetzt, wenn Arbeitsverhältnisse per Betriebsübergang vom Startup ins DAX-Unternehmen übergehen? § 613a BGB ordnet eigentlich den unveränderten Übergang der Arbeitsbedingungen an. In den neuen Entscheidungen macht das BAG Andeutungen, welche Maßstäbe hier gelten.
Sachverhalt
Der Kläger hatte eine Betriebsrentenzusage von seiner Vorarbeitgeberin, deren Höhe sich nach dem zuletzt bezogenen Monatsbruttogehalt richtete. Die Vorarbeitgeberin strukturierte die Vergütung zweimal um. Das bisher gewährte 13. Monatsgehalt sowie eine Bonuszahlung wurden Bestandteil des Monatsbruttogehalts. In beiden Fällen wurde geregelt, dass sich dies nicht auf die Rente auswirken soll. Es wurde ein „Schattengehalt“ ohne die neu umgelegten Anteile zugrunde gelegt.
Das Arbeitsverhältnis ging per Betriebsübergang auf die Beklagte über. Mit ihr schloss der Kläger einen neuen Arbeitsvertrag, der ein Festgehalt und die unveränderte Fortführung der Rentenzusage vorsah. Bei Renteneintritt kürzte die Beklagte die Rente und berief sich auf die alten Vereinbarungen zur Umstellung.
Was hat das BAG entschieden?
Der Kläger setzte beim BAG jedoch erfolgreich seinen Rentenanspruch auf Basis des neuen Gehalts ohne Kürzungen durch. Das BAG entschied, dass Endgehaltszusagen beim Betriebsübergang nicht eingefroren werden. Der Erwerber tritt in die Zusage nicht ein „wie sie steht und liegt“, sondern wie sie zugesagt ist. Für die Berechnung sei das volle Monatsgehalt maßgeblich. Weder die Abrede zum umgelegten Weihnachtsgeld noch zum Bonusswap seien auf den neuen Arbeitsvertrag anzuwenden. Bei der Prüfung erwog das BAG, ob die Bemessungsgrundlage im Wege der ergänzenden Auslegung oder der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage an die Verhältnisse beim Erwerber anzupassen war. Das sei möglich, wenn die Bemessungsgrundlage auf bestimmte Verhältnisse beim Veräußerer abstelle, die beim Erwerber keine Entsprechung fänden. Im konkreten Fall lehnte der Senat dies ab. Ein Bruttomonatsgehalt gebe es auch bei der Beklagten und dass dies höher ausfiel als zuvor, schließe eine Entsprechung nicht aus.
Auswirkungen für die Praxis
Für Unternehmen zeigt sich erneut, dass bei Integration übergangener Arbeitnehmer in bestehende Vergütungssysteme unbedingt die Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung zu prüfen sind. Da die Beklagte hier nicht aufpasste, zahlt sie einem Kläger lebenslang über EUR 2.500 extra pro Jahr. Besonders spannend sind jedoch die Ausführungen zu ergänzender Auslegung und Störung der Geschäftsgrundlage. Dass das BAG deren Anwendung beim Betriebsübergang explizit erwägt, ist zu begrüßen. Jedenfalls Extremfälle wie das Eingangsbeispiel lassen sich damit einfangen. Wann eine Entsprechung vorliegt und wann nicht, muss die Rechtsprechung noch konkretisieren. Dieser Fall zeigt, dass gleichbleibende Kosten keinesfalls garantiert sind.