Risiko teurer Urlaubsabgeltung nach Elternzeit vermeiden

12.09.2024

Arbeitnehmer:innen können während der Elternzeit hohe Urlaubsansprüche ansammeln, insbesondere wenn mehrere Elternzeiten aufeinander folgen. Kehrt die Arbeitnehmerin/ der Arbeitnehmer nicht aus der Elternzeit zurück, besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber den Urlaub abgelten muss. Dies lässt sich leicht verhindern, allerdings nur, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht. Das illustriert eine aktuelle Entscheidung des BAG (Urteil vom 16. April 2024, 9 AZR 165/23).

Hintergrund der Entscheidung

Die Parteien stritten über die Abgeltung von 146 Urlaubstagen, die die klagende Arbeitnehmerin vor und während Mutterschutz und Elternzeit angesammelt hatte. Ab dem 24. August 2015 befand sich die Klägerin in Mutterschutz und Elternzeit. Daran schlossen sich nahtlos der Mutterschutz anlässlich der Geburt eines weiteren Kindes an, nach dessen Ablauf die Klägerin Elternzeit bis zum 25. November 2020 nahm. Sie kündigte sodann das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Elternzeit. Die Klägerin verlangte Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von EUR 24.932,42. Das BAG gab ihr Recht.

Urlaubsrechtliche Besonderheiten bei Mutterschutz und Elternzeit

Mutterschutz und Elternzeit hindern das Entstehen von Urlaubsansprüchen nicht.

Der Arbeitgeber kann den Urlaub aber für jeden vollen Monat Elternzeit um ein Zwölftel kürzen (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG). Dies erfordert eine Kürzungserklärung (ausdrücklich oder stillschweigend), die der Arbeitnehmerin/ dem Arbeitnehmer zugeht.

Wichtig: Die Kürzungserklärung muss im laufenden Arbeitsverhältnis erklärt werden. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber kein Kürzungsrecht mehr.

Urlaubsansprüche, die während eines individuellen Beschäftigungsverbots oder der gesetzlichen Mutterschutzfristen entstehen, können Arbeitgeber nicht kürzen.

Während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und der Elternzeit verfällt weder zuvor nicht genommener noch während dieser Zeiten erworbener Urlaub. § 7 Abs. 3 BUrlG findet keine Anwendung. Dies gilt auch bei mehreren aufeinander folgenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten.

Auch die Verjährung von Urlaubsansprüchen beginnt erst nach Ende der Mutterschutzfrist bzw. erst nach der Beendigung der Elternzeit. Denn der Urlaubsanspruch wird nicht vor Ablauf der Mutterschutzfristen bzw. Beendigung der Elternzeit fällig.

Berechnung der Urlaubsabgeltung

Bei der Berechnung des Abgeltungsanspruchs ist grundsätzlich auf den durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen, wobei Zeiten unverschuldeter Arbeitsversäumnis keine Minderung des Abgeltungsanspruchs bewirken (§ 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG). Der Arbeitgeber hatte sich darauf berufen, dass die Arbeitnehmerin in den 13 Wochen vor Ende des Arbeitsverhältnisses keine Vergütung erhalten hatte, so dass der Abgeltungsanspruch auf null reduziert sei. Dieses Argument verfing wenig überraschend nicht. Das BAG stellt klar, dass die Elternzeit ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis ist. Die Inanspruchnahme von Elternzeit sei nicht vorwerfbar, sondern vom Gesetzgeber als Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausdrücklich erwünscht. Der Verdienstausfall während der Elternzeit bleibt daher unberücksichtigt, abzustellen ist auf den gewöhnlichen Arbeitsverdienst, den die Arbeitnehmerin ohne die Elternzeit in den 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte. Diese Auslegung ist auch mit dem Unionsrecht vereinbar.

Handlungsempfehlungen

Erstmals bestätigt das BAG die Praxis zur Berechnung der Urlaubsabgeltung bei Ausscheiden des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin mit Ende der Elternzeit und deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht. Dies dient der Rechtsicherheit.

Einmal mehr zeigt die Entscheidung die Wichtigkeit des Kürzungsrechts nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG. Will der Arbeitgeber das Ansammeln von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit verhindern, muss er eine entsprechende Kürzungserklärung abgeben. Im laufenden Arbeitsverhältnis reicht dafür schlicht die Gewährung des gekürzten Urlaubs. Wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nicht mehr aus der Elternzeit zurückkommen, funktioniert das jedoch nicht. Daher sollte der Arbeitgeber die Kürzungserklärung unbedingt spätestens während der Kündigungsfrist oder vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags abgeben. Noch sicherer ist es, proaktiv und standardmäßig schon mit Beginn der Elternzeit – frühestens ab dem Elternzeitverlangen – die Kürzung zu erklären.