Strenge Linie des EuGH bei Massenentlassungen bestätigt – kein Raum für Fehler

07.11.2025

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 30. Oktober 2025 mit zwei Entscheidungen (C-134/24 und C-402/24) erneut deutlich gemacht: Bei Massenentlassungen gilt Nulltoleranz gegenüber Verfahrensfehlern. Arbeitgeber müssen das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Anzeige von Massenentlassungen (§§ 17, 18 KSchG) vollständig, korrekt und fristgerecht durchführen – andernfalls droht die Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen.

Keine Heilung fehlerhafter Anzeigen
Im Mittelpunkt der Verfahren stand die Frage, ob eine fehlerhafte oder verspätete Anzeige gegenüber der Arbeitsagentur nachträglich geheilt werden kann. Die Antwort des EuGH ist eindeutig: Nein.

Eine Anzeige, die unvollständig oder falsch ist, entfaltet keine Rechtswirkung – und kann auch nicht rückwirkend korrigiert werden. Damit beginnt die 30-Tage-Frist, innerhalb derer die Agentur für Arbeit Unterstützungsmaßnahmen vorbereiten kann, nur bei ordnungsgemäßer Anzeige.

Keine „schwebende Unwirksamkeit“
Das Bundesarbeitsgericht hatte dem EuGH vorgeschlagen, bei formalen Mängeln eine Art „schwebende Unwirksamkeit“ anzunehmen – also eine spätere Heilung unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. Doch auch diese Möglichkeit hat der EuGH ausdrücklich ausgeschlossen. Der Zweck der EU-Richtlinie 98/59/EG – nämlich der Schutz der Arbeitnehmer und die Planungssicherheit der Behörden – würde sonst ausgehöhlt.

Konsequenzen für die Praxis
Für Personalabteilungen und Unternehmensjuristen bedeuten die Urteile vor allem eines: höchste Präzision im Verfahren.
Dazu gehören:

  • Konsultation des Betriebsrats über Alternativen und soziale Maßnahmen,
  • vollständige Anzeige der geplanten Entlassungen bei der Arbeitsagentur,
  • Beachtung der 30-Tage-Sperrfrist, bevor Kündigungen wirksam werden.

Bereits kleine formale Versäumnisse können die Wirksamkeit aller Kündigungen gefährden – mit erheblichen finanziellen Risiken.

Fazit
Der EuGH stärkt mit seiner Entscheidung erneut den Arbeitnehmerschutz und verpflichtet Arbeitgeber zur strikten Einhaltung des europäischen Anzeigeverfahrens. Das Bundesarbeitsgericht wird nun entscheiden müssen, wie es die europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht überträgt – fest steht aber: Die Anforderungen bleiben hoch.
Unternehmen sollten geplante Massenentlassungen daher rechtzeitig und sorgfältig vorbereiten – und sich frühzeitig arbeitsrechtlich beraten lassen.