„Und“ ist das neue „Oder“ – BAG-Urteil zu konzerninternem Personaleinsatz
Sobald Arbeitnehmer Aufgaben einer anderen Konzerngesellschaft übernehmen, ist Vorsicht geboten. Die Rechtsprechung könnte hierin eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung sehen – mit schmerzhaften Folgen wie fingierten Arbeitsverhältnisses und Bußgeldern. Das betrifft nicht nur Personalführungsgesellschaften, sondern kann zum Beispiel auch in Matrixstrukturen schnell zum Problem werden.
Das Konzernprivileg im AÜG
Vorübergehenden Personaleinsatz innerhalb eines Konzerns soll das sogenannte Konzernprivileg im AÜG rechtlich absichern. Danach sind die meisten Normen des AÜG innerhalb eines Konzerns nicht anwendbar, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Rechtssicher ist hier allerdings nichts, denn die gesamte Thematik ist heillos umstritten. Einige Fragen hat das BAG in seinen kürzlich veröffentlichten Entscheidungsgründen beantwortet (BAG, 9 AZR 13/24). Unsicherheit bleibt dennoch:
Info Nr. 1: „Und“ heißt „Oder“
Nach der Entscheidung des BAG scheidet das Konzernprivileg aus, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt oder wenn er zu diesem Zweck beschäftigt wird. Trotz des nach Ansicht der Vorinstanz klaren Wortlauts „und“ scheide das bereits Konzernprivileg aus, wenn nur eines der beiden Tatbestandsmerkmale erfüllt sei. Dass im konkreten Fall bei der Einstellung noch keine Überlassung bezweckt war, reichte daher nicht aus. Insoweit war die Entscheidung weniger überraschend als es klingt, denn dieses Verständnis war bereits herrschende Meinung.
Info Nr. 2: Kriterien für die Gesamtabwägung
Überraschender war hingegen, dass das BAG relativ viele Orientierungspunkte dafür gibt, unter welchen Voraussetzungen das Konzernprivileg greifen könnte. So ist eine Konzernversetzungsklausel nach Ansicht des BAG kein Ausschlusskriterium. Besonderen Wert legt es auf den Anlass der Überlassung und nennt als Beispiele, die für eine Zulässigkeit sprechen, Traineeship, Vertretung, Einweisung oder Schulung des Arbeitnehmers sowie umgekehrt Aufbauhilfe für den „Entleiher“ oder Schulung von dessen Arbeitnehmern. Aus so einem Anlass könne auch ein längerfristiger Einsatz zulässig sein. Wird der Arbeitnehmer demgegenüber zur Bewältigung der Grundlast der entleihenden Gesellschaft eingesetzt, spricht dies gegen die Zulässigkeit. Trotz dieser Hinweise bleibt es am Ende bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, dem vielleicht größten Feind der Rechtssicherheit.
Weiter offen: Unionsrechtswidrigkeit und Folgen
Auch hat das BAG offengelassen, ob das Konzernprivileg mit Unionsrecht vereinbar ist und welche Auswirkungen das auf das Verhältnis privater Unternehmen zu ihren Arbeitnehmern hat. Die Diskussion hierüber hatte in Folge einer EuGH-Entscheidung zur Personalgestellung im öffentlichen Dienst aus 2023 in jüngerer Zeit wieder Fahrt aufgenommen.