Neuigkeiten zum Bürokratieentlastungsgesetz IV – kommt schon bald der digitale Arbeitsvertrag?
Die Notwendigkeit von Digitalisierung und Bürokratieabbau ist in der heutigen Arbeitswelt unbestreitbar. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft wurden in den letzten fünf Jahren in Deutschland durchschnittlich 11 Millionen Arbeitsverträge pro Jahr geschlossen – stets in Papierform ausgedruckt und handschriftlich unterzeichnet, da die gesetzlichen Vorschriften dies bislang erfordern. Doch mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) könnte sich nicht nur dies bald ändern. Das geplante Gesetz sieht den Abbau weiterer bürokratischer Hürden für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor. In ihrem Beitrag vom 31. August 2023 hat Rechtsanwältin Miriam Azinović bereits das damalige Eckpunktepapier der Bundesregierung analysiert. Nun ist es an der Zeit, ein Update zu geben.
Der Stand der Beratungen
Nachdem das Bundeskabinett im März 2024 den Regierungsentwurf beschlossen hat, wird seit Mai im Bundestag über das BEG IV beraten. Nun hat das Bundeskabinett am 19. Juni 2024 auf Vorschlag des Justizministers Dr. Marco Buschmann eine Formulierungshilfe zum Regierungsentwurf mit weiteren Ergänzungen beschlossen. Ziel dieser Ergänzungen ist es, zusätzliche Maßnahmen zum Abbau unnötiger Bürokratie in das Gesetz aufzunehmen. Dr. Marco Buschmann erklärt dazu: „Diese Änderung bringt Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Künftig kann ein Arbeitsvertrag in der Regel vollständig digital abgeschlossen werden, zum Beispiel per E-Mail. Das spart Zeit und Kosten – und zeigt die richtige Richtung auf: Digitale Dienste statt analoge Altlasten.“
Wie weit der Abbau dieser „analogen Altlasten“ nach dem geplanten Gesetz reichen soll und welche wichtigen Änderungen im Arbeitsrecht zu erwarten sind, wird im Folgenden zusammengefasst.
Geplante Neuerungen im Arbeitsrecht
Das geplante BEG IV sieht vor allem Erleichterungen im Hinblick auf die strengen Schriftformerfordernisse in verschiedenen arbeitsrechtlichen Bereichen vor. Auch die Aufbewahrungspflichten sollen verkürzt werden. Im Einzelnen:
Digitaler Arbeitsvertrag: Die praxisrelevanteste Neuerung für Arbeitgeber stellt die Möglichkeit des digitalen Abschlusses von Arbeitsverträgen dar.
Bisher sind Arbeitgeber nach dem Nachweisgesetz verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen. Zur Wahrung der Schriftform ist gemäß § 126 Abs. 1 BGB ein Ausdruck in Papierform und die Unterzeichnung mit Originalunterschrift durch den Arbeitgeber erforderlich. Da die wesentlichen Vertragsbedingungen in aller Regel im Arbeitsvertrag festgelegt sind, führt dies bisher in der Praxis zu einem Schriftformzwang beim Abschluss von Arbeitsverträgen.
Künftig sollen Arbeitgeber die Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen auch in Textform abfassen und elektronisch übermitteln dürfen, sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist und gespeichert und ausgedruckt werden kann. Zur Erfüllung der Textform nach § 126b BGB reicht es aus, wenn eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Dazu zählen beispielsweise Nachrichten per Telefax und Briefe ohne Unterschrift, aber auch E-Mails, SMS und WhatsApp-Nachrichten. So können Arbeitsverträge zukünftig vollständig digital geschlossen werden. Arbeitgeber sind nur dann verpflichtet, einen schriftlichen Nachweis der Arbeitsbedingungen zu übermitteln, wenn Arbeitnehmer dies ausdrücklich verlangen.
In Wirtschaftsbereichen, die besonders anfällig für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind, bleibt der schriftliche Nachweis weiterhin verpflichtend. Auch bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen bleibt das Schriftformerfordernis bestehen.
Altersgrenzenvereinbarungen: Eine Altersgrenzenvereinbarung, die festlegt, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet, soll nach der beschlossenen Formulierungshilfe in Zukunft ebenfalls in Textform geschlossen werden können. Bislang war dafür die Schriftform erforderlich.
Elektronische Form für Arbeitszeugnisse: Durch die Änderung von § 630 S. 3 BGB soll es zukünftig möglich sein, Arbeitszeugnisse in elektronischer Form zu erteilen, sofern der Arbeitnehmer einwilligt. Der Arbeitgeber muss das Zeugnis dann nur noch mit seinem Namen sowie einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und nicht mehr wie bisher auf Papier eigenhändig unterzeichnen. Es muss jedoch beachtet werden, dass bei der elektronischen Signatur keine Rückdatierung möglich ist. Dies erschwert die Korrektur der signierten Zeugnisse zu einem späteren Zeitpunkt.
Elternzeit- und Teilzeitverlangen: Sowohl das Elternzeitverlangen als auch die Mitteilung von Teilzeit während der Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz könnten durch den Arbeitnehmer schon bald in Textform verfasst und elektronisch übermittelt werden, also etwa per E-Mail. Der Arbeitgeber kann im Gegenzug seine Zustimmung zum Teilzeitantrag aus dringenden betrieblichen Gründen ebenfalls in Textform verweigern und muss nicht mehr die Schriftform wahren.
Pflegezeit und Familienpflege: Auch die Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit können Arbeitnehmer zukünftig in Textform ankündigen.
Arbeitnehmerüberlassung: Für Überlassungsverträge zwischen Verleiher und Entleiher soll künftig nach § 12 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz die Textform ausreichend sein. Dadurch können solche Verträge dann beispielsweise auch per E-Mail geschlossen werden.
Aushangpflichten: Das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz werden dahingehend geändert, dass Arbeitgeber die erforderlichen Aushänge auch in elektronischer Form in einem betriebsüblichen Medium, etwa im Intranet, bereitstellen können, sofern alle Beschäftigten uneingeschränkten Zugang zu diesen Informationen haben. Zudem dürfen Unterlagen oder Dokumente, die im Verwaltungsverfahren nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz bisher schriftlich zu verfassen sind, künftig auch in Textform erstellt und übermittelt werden.
Verkürzung der Aufbewahrungspflichten: Durch Änderungen des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung sollen handels- und steuerrechtliche Pflichten zur Aufbewahrung von Buchungsbelegen wie Lohn- und Gehaltslisten von zehn auf acht Jahre reduziert werden.
Wann ist mit den Änderungen zu rechnen?
Wann genau das BEG IV im Bundestag beschlossen wird, ist noch unklar. Ursprünglich sollte über das Gesetz in der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli 2024 abgestimmt werden. Die Ampelfraktionen verschoben das Vorhaben jedoch, da im Rahmen einer Verbändeabfrage der SPD weitere Vorschläge von Unternehmen und Verbänden zum Bürokratieabbau gesammelt und ausgewertet werden sollen. Es ist also nicht auszuschließen, dass der Gesetzesentwurf mit weiteren Maßnahmen angereichert wird. Das BEG IV soll nun wohl zeitnah nach Ende der Sommerpause im September 2024 vom Bundestag beschlossen werden. Anschließend muss der Bundesrat dem Gesetz noch zustimmen. Dabei ist es möglich, dass einzelne Regelungen modifiziert werden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich also noch etwas gedulden, bis die neuen Regelungen in Kraft treten.