Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen

02.12.2024

In der derzeitigen konjunkturellen Lage sind zahlreiche Unternehmen gezwungen, strukturelle Anpassungen vorzunehmen. Hierzu gehört auch die Schließung unrentabler Standorte. Bestätigt wird dies nicht zuletzt dadurch, dass derzeit u.a. auch industrielle Schwergewichte (wie z.B. VW, Thyssenkrupp) Werksschließungen in Aussicht stellen. Nachfolgend werden ausgewählte arbeitsrechtliche Aspekte dargestellt, auf die zu achten ist, wenn es in Umsetzung einer Werksschließung zu betriebsbedingten Kündigungen kommen soll.

Betriebsstilllegung

Wird ein komplettes eigenständiges Werk geschlossen, wird es arbeitsrechtlich regelmäßig Betriebsstilllegung genannt. Es ist eine freie unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, einen Betrieb zu schließen, unabhängig davon, ob dieser rentabel ist oder nicht.

Greifbare Formen

In der Regel erfolgt die Stilllegung des Betriebs in der Zukunft, also einige Monate nach der Entscheidung des Arbeitgebers das Werk zu schließen und auch zeitlich nach dem Ausspruch der Kündigungen. Die Betriebsstillegung muss dann zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung jedenfalls sog. „greifbare Formen“ angenommen haben, damit sie die Chance hat, im Rahmen einer arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung als wirksam angesehen zu werden.

Zu solchen „greifbaren Formen“ können z.B. gehören: Stilllegungsbeschluss, Kündigung von Mietverhältnissen über Betriebsräume, Mitteilung der Stilllegungsabsicht an Kunden, Verkauf der Produktionsmittel, Abschluss von Interessenausgleich / Sozialplan, sofern ein Betriebsrat im Amt ist.

Die Überprüfung, ob greifbare Formen vorliegen, bezweckt, die Ernsthaftigkeit und die Plausibilität der Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers zu belegen und auszuschließen, dass der Arbeitgeber doch nicht etwas anderes vorhat, was eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigt, wie z.B. eine Veräußerung des Betriebs oder doch eine Fortführung mit verringerter Belegschaft.

Freie Arbeitsplätze in anderen Betrieben

Betreibt der Arbeitgeber neben dem zu schließenden Betrieb auch noch andere Werke und gibt es dort freie Arbeitsplätze, hat er zu prüfen, ob und welchen Mitarbeitern statt der Beendigungskündigung die Möglichkeit der Beschäftigung in dem anderen Betrieb angeboten werden muss, ggf. durch den Ausspruch von Änderungskündigungen.

Sozialauswahl

Anders ist es bei der Sozialauswahl. Diese ist auf das zu schließende Werk beschränkt. Die Sozialauswahl hat nur betriebsbezogen zu erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn es in dem Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers einen örtlichen Versetzungsvorbehalt gibt, der ihn dazu verpflichtet, in anderen Betrieben des Arbeitgebers tätig zu sein.

Kündigungsfristen

Der Zeitpunkt, zu dem die Kündigungsfrist ausläuft, das Arbeitsverhältnis also enden soll, darf grundsätzlich nicht vor dem geplanten Zeitpunkt der Betriebsstilllegung liegen. Eine Ausnahme gilt, wenn die Arbeitnehmer unterschiedlich lange Kündigungsfristen haben und die Stilllegung des Betriebs zu dem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die längste Kündigungsfrist ausläuft. Kündigt der Arbeitgeber dann allen Mitarbeitern unter Wahrung der jeweiligen individuellen Kündigungsfristen einheitlich, können sich Mitarbeiter, bei denen die Kündigungsfrist vor dem Zeitpunkt der geplanten Stilllegung ausläuft, nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber  hätte darlegen müssen, warum eine Beschäftigung bis zur endgültigen Schließung nicht mehr möglich gewesen ist.

Betriebsrat

Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, stellt die Stilllegung eine Betriebsänderung dar, so dass vor der Umsetzung, konkret dem Ausspruch der Kündigungen, das Interessenausgleichsverfahren durchzuführen ist. Nachteile für die Arbeitnehmer werden durch einen Sozialplan ausgeglichen, häufig durch Ansprüche auf eine Sozialplanabfindung. Starre Fristen innerhalb derer das Interessenausgleichsverfahren durchlaufen werden muss, gibt es nicht. Ab dem Zeitpunkt der Information des Betriebsrats müssen aber einige Monate eingeplant werden, bevor die Kündigungen erklärt werden können. Zwei bis sechs Monate sind im Regelfall durchaus einzukalkulieren , wobei es in Einzelfällen auch schneller gehen oder länger dauern kann. Es hängt viel vom Einzelfall ab, u.a. auch davon, ob es eines Einigungsstellenverfahrens bedarf.

Gewerkschaft

Bei tarifgebundenen Unternehmen ist weiter damit zu rechnen, dass auch die Gewerkschaft „mitreden“ will und auf den Abschluss eines Tarifsozialplans drängt. Ggf. muss dann neben dem betrieblichen Verfahren auch ein tarifliches Verfahren durchlaufen werden. Um „Druck“ auszuüben, auch, um ggf. zu erreichen, dass es nicht zur Verwirklichung der geplanten Werksschließung kommt, kann es auch zu flankierenden Arbeitskampfmaßnahmen (z.B. Streik) durch die Gewerkschaft kommen.